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Demokratie. Aber wie? Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot im Interview Sélection

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Von der Repräsentation über Partizipation bis zu Populismus: Auch die Demokratie steckt in der Krise – in der gesamten Europäischen Union und zu einem guten Teil auch wegen der Europäischen Union, befindet Ulrike Guérot.
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Das Interview im Auszug:

* Wir leben in einem System der repräsentativen Demokratie. Wenn wir uns aber die Wien-Wahlen anschauen: Beinahe ein Drittel der Bevölkerung im wahlfähigen Alter ist nicht wahlberechtigt. Wie repräsentativ ist das eigentlich noch?

Der französische Philosoph Étienne Balibar hat das in seinem Buch „Sind wir Bürger Europas?“ aufgeschlüsselt und das im Grunde das System der „europäischen Apartheid“ genannt. Er hat festgestellt, dass 25 Millionen Bürger*innen der EU in die Wertschöpfungsketten ihrer Länder hineinarbeiten – egal, ob es die Türken in Deutschland sind oder die Marokkaner in Frankreich oder die Ukrainer in Polen. Diese Leute dürfen alle nicht wählen – und zwar weder lokal noch national noch auf europäischer Ebene. Ich würde auch sagen: Damit sollten wir aufhören. Wir sollten ein „ius soli“ einführen; das heißt: Diejenigen, die sozusagen auf dem Boden des Rechtsraums stehen, sollten Wahlrecht haben.

* Eine ähnliche Diskussion wird auch um das Wahlalter geführt …

Natürlich schließen wir Jugendliche aus, bis 18 Jahre. Das ist in der Bundesrepublik gerade eine große Diskussion, wo man das Wahlalter auf 16 Jahre senken möchte. Auf 16 Jahre, weil man die Jugendlichen zumindest bei Lokal- oder Regionalwahlen früher einbinden möchte.

Ich würde gerne darauf verweisen: Die Frage „Wer darf wählen?“ haben wir immer im öffentlichen Raum verhandelt. In früheren Jahrzehnten war das Wahlalter noch 21 Jahre, das passive und aktive Alter. Dann wurde es auf 18 Jahre hinuntergesetzt. Jetzt ist die Frage, ob 16 Jahre – vielleicht demnächst 14 Jahre. Es gibt Initiativen, die plädieren dafür, Eltern für ihre Kinder wählen zu lassen, damit die Kinderrechte mehr in den Mittelpunkt der Gesellschaft gerückt werden.

* Wahlen sind ja nicht die einzigen demokratischen Instrumente, die wir haben. In den vergangenen Jahren hatten und haben wir auch eine Reihe von Volksbegehren. Das „Don’t smoke“-Volksbegehren erreichte beispielsweise 900.000 Unterschriften, das Frauenvolksbegehren knapp eine halbe Million. Beide Volksbegehren wurden von der damaligen türkis-blauen Bundesregierung praktisch ignoriert. Welche Bedeutung haben Volksbegehren, wenn dann nichts mit ihnen – trotz hoher Teilnahme – passiert?

Das ist ein wichtiger Punkt und auch Gegenstand der akademischen Debatte. Ganz egal, ob wir in die Schweiz gucken, zu den Bürgerinitiativen, zum öffentlichen Rundfunk, oder eben hier nach Österreich oder auf die gesamte EU: Was wir konstatieren, ist, dass wir eine große Krise der politischen Repräsentation haben. Wenn wir das Gefühl hätten, dass wir vernünftig repräsentiert werden und das, was wir wollen, sich im politischen Tagesgeschehen abbildet, dann hätten wir wahrscheinlich nicht so viele Volksbegehren.

* Aber wieso tragen mehr Volksbegehren dann zu einer Krise der politischen Repräsentation bei?

Der Politikwissenschafter Philip Manow beschreibt in seinem Buch „Die Entdemokratisierung der Demokratie“, dass wir einerseits Parlamente haben, die uns irgendwie repräsentieren, aber scheinbar immer weniger wichtig werden. Und auf der anderen Seite haben wir sehr viel Demokratie durch immer mehr Bürgerbewegungen und aktive Bürger*innen, die sich für bestimmte Sachen einsetzen.

Und da müssen wir genau hinschauen: Wer hat eigentlich die Mittel, sich mit seinen Anliegen durchzusetzen? Es sind natürlich die sozial aktiven Leute, die Zeit haben, die sich sprachlich ausdrücken können, die einen Verein gründen können. Da lassen wir viele Menschen draußen. Eine alleinerziehende Mutter hat nicht unbedingt Zeit, sich um 19 Uhr zu einer Bürgerinitiative zu setzen. Wie gerecht ist das denn, wenn es immer von Zeit, Geld und Energie abhängig ist, welche Anliegen in den Vordergrund gespielt werden? Denn eigentlich wollen wir ja die Repräsentation der Gesamtheit.

Publié 3 years ago

Catégorie Vidéo  /  Deutschland

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